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21.02.2022

Der «Panton-Tunnel»

Ein grosses, begehbares Kunstwerk von Verner Panton, einem der bedeutendsten Künstler der Designgeschichte, liegt im Untergrund des Universitätsspitals Basel. Weil das Werk lange verkannt war, muss es bald einem neuen Spitalbau weichen. Das ist peinlich für die «Kulturstadt Basel».

Textfaktur Ampère – Anne Krier und Remo Vitelli

Gehen wir doch einfach mal zusammen da durch! Ausgehend vom Parkhaus tauchen wir ab in Pantons «Unterführungswelt». Erster Eindruck: rot. Sehr rot! Wir werden umfangen von einem strahlenden, beinahe orangenen Rot, dessen Einheitlichkeit sich jedoch beim Weitergehen schon nach den ersten Schritten auflöst. Es weicht einem gestreiften, zuerst sehr breit gefassten Muster in drei verschiedenen Rot- und Orangetönen. Zugleich dringt der Tunnel in den Basler Untergrund ein, wird höher, das vertikale Streifenmuster beschleunigt sich, Rot und Orange werden allmählich durch Blautöne durchbrochen.

Ein Blick in die Tiefe des Tunnels ist ein Blick ins Blaue. Wurden wir oben umfangen von pulsierendem Rot, dominiert unten, wo am tiefsten Punkt die Passage einen Knick nach links macht, die Farbe Blau. Und wenn wir so einer weiteren «Farbstimmung» entgegentauchen, richtet sich der Blick in eine farblich gestaltete Zukunft. Begleitet von Verner Pantons Farben und Formen, gehen wir durch diese Passage, die in ihrer Verspieltheit an ein kunterbuntes Daumenkino erinnert.

(Fotos: Lucius Müller, Basel, 2022 / © Verner Panton Design AG)

«Bei der Gestaltung eines Milieus ist die Farbgebung von entscheidender Wichtigkeit. Es genügt nicht zu sagen, dass Rot rot ist und Blau blau. Ich selber arbeite normalerweise mir Parallelfarben, deren Töne im Spektrum aufeinanderfolgen. Dadurch kann ich den Kälte- und Wärmecharakter des Raums beherrschen und so die gewünschte Stimmung schaffen.»
Verner Panton

(Video: Lucius Müller, Basel, 2022 / © Verner Panton Design AG)

Ein renommierter Basler Architekt, der hier nicht namentlich genannt werden will, sagt es so: «Pantons Genie zeigt sich darin, dass er aus jedem Loch ein grossartiges Kunstwerk zu machen wusste – und diese Unterführung war ein Loch!» Und weiter sagt der Architekt: «Solche Kunst ist mächtiger als jede Architektur.»

Wir unterbrechen unseren Tauchgang durch die Passage, um die Geschichte dieses Kunstwerks zu erzählen. Die Geschichte seiner Entstehung beginnt paradoxerweise mit einer Bausünde – einem «Loch».

Die Passage verläuft im dritten Untergeschoss des heutigen «Klinikums 2» und verbindet das Parkhaus im Osten mit der Altstadt im Westen. Gebaut hat hier eines der damals grössten Basler Architekturbüros, Suter + Suter. Das Büro ging später Konkurs, was jedoch nicht an seinen Bausünden lag. Suter + Suter haben notabene auch viel gute Architektur gemacht und waren in den 1960ern und 1970ern eines der grössten Architekturbüros der Stadt.

Uns interessiert nun also ein Detail in diesem Grossprojekt – die Passage, die Verner Panton ein paar Jahre später zu einem Kunstwerk machen sollte. Es musste ein Verbindungsweg her vom Parkhaus, das sich unter dem Garten des Spitals befindet, und der Altstadt auf der anderen Seite des Klinikums. So entstand ein Tunnel im dritten Untergeschoss, gut 80 Meter lang, bis zu 2.6 Meter breit und maximal 3.8 Meter hoch. In seiner Mitte befindet sich ein doppelter Knick – dass die Passage nicht einfach geradeaus führt, ist wohl auf einen Planungsfehler zurückzuführen, denn übersichtlicher wurde die Unterführung damit jedenfalls nicht.

Nach der Eröffnung des «Klinikums 2» und der Passage im Jahr 1974 wurde allmählich klar, welch ein Unort hier gebaut worden war. Eine triste graue Betonröhre, in der nachts sinistre Gestalten herumlungerten und den Passantinnen Angst machten.

So sah es hier aus. (Foto: AZ, Juli 1977)<br>
So sah es hier aus. (Foto: AZ, Juli 1977)

Es brauchte also eine deutliche Verbesserung für dieses «Loch». Und so kam man auf Verner Panton. Sein internationales Renommee war offensichtlich. Er war für seine ausserordentlich durchdachte Farbgestaltung bekannt. Und er lebte in Basel. Anfang März 1977 fand ein Treffen der Auftraggeber mit Panton statt. Dieser zeigte sich bereit, «unverbindlich eine Gestaltungsidee zu entwickeln und zu dokumentieren.», so das Gesprächsprotokoll von damals. Die Herausforderung interessierte Verner Panton offensichtlich sehr.

Und dann sah er sich dieses «Loch» in Basels Untergrund ganz genau an. Und machte sich an die Arbeit. Es war eine Aufgabe für einen grossen Enthusiasten. Wie es sich zeigte, sollte es sich lohnen.


«Farben zu verwenden ist wie das Leben. Man muss ein Ziel haben.»

Verner Panton

Doch tauchen wir erstmal wieder in den Tunnel ein. Wer heute durch die Passage geht, bemerkt schnell: Der Gang in die Unterwelt hat nichts Bedrohliches, sondern vermittelt ein Gefühl von Freude und kindlichem Spass ebenso wie eine Art Gelassenheit.

Die durch den Knick in zwei Bereiche geteilte Unterführung erfahren wir dank Pantons Farbgestaltung als ein zusammenhängendes Ganzes. Denn die Räume werden durch die Wiederholung aufeinander Bezug nehmender Farben, Formen und Muster rhythmisiert. Die acht Farben – Dunkelrot, Hellrot, Orange, Aubergine, Lila, Violett, Blau und Türkis – finden wir in insgesamt acht räumlichen Sequenzen. Unterbrochen werden die in starken Farben und Mustern gehaltenen Abschnitte der Unterführung von Abschnitten in sanften Grautönen. Dies lässt unserem Auge etwas Ruhe nach – und vor – den «Farbexzessen».

«Die Relation zum Millieu ist viel wichtiger als ein einzelner Stuhl oder ein anderer Gegenstand. Raum, Farben, Möbel, Textilien und Beleuchtung müssen gemeinsam durchdacht und erlebt werden. Ein attraktives Milieu kann nur gestaltet werden, wenn man die Ganzheit wirklich voll beherrscht.»
Verner Panton

Zurück zur Geschichte des Tunnels. Pantons Anspruch an Räume war grundsätzlich ein ganzheitlicher. Sein grosser Wille, Räume durchgehend zu gestalten, zeigte sich bereits in seinem ersten grossen Projekt Ende der 1950er-Jahre. Es handelte sich dabei um das Gasthaus «Kom-igen» beim Schloss Langesø in der Nähe von Odense, Dänemark. Es war ein Traum in Rot, ein Totaldesign, das für viel Aufsehen sorgte.

Ein nächster Meilenstein in Pantons ganzheitlichem Design war das Redaktions- und Verlagshaus des Spiegel in Hamburg. Der Verleger Rudolf Augstein gab Panton weitgehend freie Hand.

Als weitere Beispiele sind die Wohnausstellungen zu nennen, die Panton in den den 1960ern und frühen 1970ern bespielte: Endlos scheinende Wohnlandschaften in starken Farben und meist organischen Formen. Polster und flauschige Stoffe, die einladen, sich hinzusetzen, hinzulegen, hinzufläzen. Das war neu. Das war aufregend. Es war Pop!

Für seine totalen Innenräume entwarf Panton selbstverständlich auch Textilien. Erst arbeitete er mit einer dänischen Firma, später dann mit Mira-X, einer Marke des Schweizer Möbelhauses Pfister. Es entstanden vielfältige geometrische Muster in den starken Farben, die noch heute als typische «Panton-Farben» gelten. Meist sind es unterschiedliche Töne der Spektralfarben von Rot über Orange, Gelb und Blau bis Violet. Darauf griff Panton nun für seinen Auftrag im Basler Untergrund zurück.

Entwurf für Mira-X, 1968 (Quelle: Archiv © Verner Panton Design AG)
Entwurf für Mira-X, 1968 (Quelle: Archiv © Verner Panton Design AG)

Farben und Muster waren also gesetzt. Doch deren Anordnung im 80 Meter langen Gang sollte noch ausgetüftelt werden. Es war ein mathematisches Problem, den richtigen Rhythmus zu finden. Gelöst wurde das Problem mit Berechnung und Experiment: Es entstanden Skizzen, Pläne im Massstab 1:1 und Modelle.

Verner Panton wollte die Farben und Muster «all over» einsetzen – sie sollten sich über Wände, Decke und auch den Boden erstrecken. Doch dies war den Auftraggebern dann wohl doch zu viel. Schliesslich erhielt der Boden einen Anstrich in Olivgrün.

Der obere Bereich der Passage (Quelle: Archiv  © Verner Panton Design AG)
Der obere Bereich der Passage (Quelle: Archiv  © Verner Panton Design AG)

Ab Sommer 1978 wurden Aufträge an die Handwerker vergeben: Die Firmen Herold Söhne und K. Güdemann bildeten eine Arbeitsgemeinschaft und erhielten den Zuschlag für die Malerarbeiten. Der Job war eine Herausforderung - nicht nur wegen Pantons hohen Qualitätsansprüchen. Im Panton-Archiv findet sich beispielsweise eine Notiz zu speziellen Bedingungen an die Maler: «Während der gesamten Ausführungszeit muss der Passantenverkehr gewährleistet bleiben, d.h. der Ablauf der Malerarbeiten muss vor Beginn der Arbeiten äusserst kreativ organisiert werden.»

Auch die «Möblierung» der Passagage war Aufgabe von ortsansässigen Firmen. Die Ausstellungsvitrinen für Werbezwecke wurden von der Firma Glas & Spiegel A.G. Basel gebaut. Besonders interessant scheinen uns die Leuchten, die Verner Panton extra für die Passage entwarf. Die grossen, kreisrunden, relativ flachen Leuchtkörper wurden von Karl Gysin & CO. AG in einer Kleinserie hergestellt.

Technische Zeichnung der Leuchte, die eigens für die Passage entworfen wurde (Quelle: Archiv © Verner Panton Design AG)
Technische Zeichnung der Leuchte, die eigens für die Passage entworfen wurde (Quelle: Archiv © Verner Panton Design AG)

Etwas zu den Kosten des Projektes: Die Maler- und Gipserarbeiten schlugen damals mit knapp 100‘000 Franken zu Buche. Die Vitrinen sollten knapp 50‘000 Franken kosten. Für das Design und die gesamten Planungen des Projektes forderte das Büro von Verner Panton knapp 30‘000 Franken.

Insgesamt kam das Kunstwerk damit auf geschätzte 200‘000 Franken. Eine gesamte, definitive Abrechnung liegt uns nicht vor. Bezahlt hat der Kanton Basel-Stadt. Teuerungsbereinigt würde das Kunstwerk heute ungefähr den doppelten Betrag kosten. 400‘000 Franken für eine grosse Installation eines international sehr bedeutenden Künstlers. Es ist anzunehmen, dass es heutzutage dafür einige Interessierte gäbe.

Tauchen wir wieder in den Tunnel ein! Lang und bedrückend wirkte er vor seiner Umgestaltung. Panton jedoch gelang es, den monotonen Raum zu rhythmisieren und ihn damit in eine «Umgebung» zu verwandeln, die interessante Eindrücke und Erfahrungen produziert. Insbesondere der zweite Teil des Ganges, der sich nach dem Knick auftut und in Richtung Lift führt, erweist sich als brillant gemeisterte räumliche Herausforderung. Dominierte im ersten, nach unten führenden Teil der Unterführung ein vertikales Streifenmuster in Blau-, Rot- und Violetttönen, arbeitet Panton nun auch mit Grautönen und einer Abfolge verschiedener Formen und Muster.

Auf eine erste Sequenz mit in den «Panton-Farben» gehaltenen, an die Muster seiner Mira-X-Serie erinnernden Rauten folgen drei Abschnitte in Grautönen, die stark mit der Dramatik der vertikalen, rot-blauen Streifenmuster im oberen Teil der Unterführung kontrastieren. Auf den Wänden, den Decken und selbst den Türen hat Panton grossflächige Kreise in mal helleren, mal dunkleren Grautönen aufbringen lassen und somit eine Atmosphäre der eleganten Neutralität und eine Zurückhaltung geschaffen, die sowohl Ruhe vermittelt als auch spacig und avantgardistisch wirkt.

Auf diese drei Abschnitte folgt eine als Rückgriff an den oberen Teil der Unterführung funktionierende Sequenz: Wände und Decken sind hier in gleichmässig breiten, vertikalen Streifen gehalten, die von Violett über Rot- und Orangetöne wieder zu Violett verlaufen. Auf graue Kühle folgt Wärme – dann wieder Kühle in einem Abschnitt, der mit einem Schachbrettmuster Quadrate in verschiedenen Grautönen gestaltet ist. Auch hier wieder ein Aufblitzen, ein visuelles Echo früherer Eindrücke, wenn die quadratischen Muster durch einen schmalen Regenbogen der uns schon bekannten Farben (Rot, Orange, Violett, Blau) unterbrochen werden. Hier ist kein Platz für Langeweile. Logik vermengt sich mit Fantasie, das Spielerische mit der exakten Berechnung, um einen Raum entstehen zu lassen, dessen Gestaltung nicht mehr durch die Funktion dominiert wird, sondern durch die Gefühle, die er bei uns auslöst.

Die vier letzten Abschnitte vor den Liften sind weitere Variationen der Pantonschen Farben- und Formensprache. Auf einen weiteren Abschnitt in Grau folgen wieder orange-rot-blau-violette Streifen – hier jedoch horizontal gehalten und auf den Ausgang des Tunnels beim Lift verweisend.

Dann wieder ein Abschnitt in Grautönen mit hell- und dunkelgrauen Kreisen. Der letzte Abschnitt vor dem Liftzugang ist wieder mit Rauten gestaltet. Wie auf den Fotos der Passage nach ihrer Fertigstellung zu sehen ist, zog sich das farbige Muster bis in den Vorraum der Lifte und überzog sogar die Lifttüren. Ein fröhliches Harlerkinkostüm, das wohl auch bei manchem Basler Kind eine bleibende Erinnerung hinterlassen hat.

So sah das Werk nach seiner Fertigstellung aus.
(Fotos: Myriam Kordon und Thomas Heiniger, Basel, 2000 / © Verner Panton Design AG)

Kurzweil und Frohsinn dominieren den Raum. Wo zuvor ein bedrohliches «Loch» sich durch den Untergrund des Spitals gezogen hatte, ist ein Farben- und Formenspiel entstanden, das mit den Passantinnen und Passanten interagiert. Das Farbenbad der Passage wirkt auf unser Raum- und Zeitempfinden und erzeugt wechselnde Stimmungen und Emfpindungen – von der pulsierenden Hitze und Dramatik der Rottöne bis hin zu kühl-blauer oder spacig-grauer Gelassenheit. Der Tauchgang durch die Unterführung wird so zu einem metaphorisch erfahrbaren Übergang in eine andere Welt, in der wir kindlich-fröhlich ankommen.

«Die Bedeutung der Farben ist ein nahezu übersehener Punkt. Man hat Angst vor Farben. Farben haben aber enorme Bedeutung. Ich kann mit geschlossenen Augen durch einen Raum gehen und weiss trotzdem, ob die Farben des Raums warm oder kalt sind.»
Verner Panton

Zurück zur Geschichte der Passage: Das Kunstwerk wurde 1980 eingeweiht – und entfaltete seine Wirkung. Als Unort galt die Passage nach ihrer Gestaltung durch Verner Panton nicht mehr – und das sollte für mehr als 20 Jahre auch so bleiben.

Doch Anfang der 2000er-Jahre gab es einen ersten massiven Eingriff: Die Parkhausverwaltung wollte mehr Werbefläche in der Passage. Plakatwände hatte es hier von Anfang an gegeben. Panton hatte diese in das Kunstwerk wohlüberlegt integriert, und zwar ausschliesslich auf den uni grauen Bereichen als Ergänzung zu den Vitrinen. Doch nun liess das Parkhaus erstens einen Teil der Vitrinen entfernen. Diese waren offenbar nicht so leicht zu vermieten wie Plakatwände. Und zweitens wurden nun auch auf farbigen Flächen Plakate angebracht. Pantons starke, künstlerische Grafik stand danach in direktem Kontrast mit mehr oder weniger ansprechender Werbegrafik.


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Werbeunterbrechung
(Foto: Myriam Kordon und Thomas Heiniger, Basel, 2000 / © Verner Panton Design AG)

Wenig später, im Jahr 2005, stand ein noch massiverer Eingriff an, ja es drohte damals schon die völlige Zerstörung des Werks. Die Bauvorschriften hatten sich geändert und die Passage sollte nochmals «sicherer» werden. Es musste vor allem mehr Licht her.

Darüber zu entscheiden hatte der Kanton. Federführend war das Finanzdepartement als öffentliche Liegenschaftsverwalterin. Zusammen mit dem Hochbau- und Planungsamt und dem Spital wurden die Anforderungen an den Umbau definiert und das Basler Architekturbüro Vischer mit dem Auftrag betraut. Das Resultat: Die Passage sollte völlig neu gestaltet werden. Pantons Kunst sollte weg.

Doch dann schaltete sich die kantonale Denkmalpflege ein, die als Kulturbehörde dazumal noch zum Erziehungsdepartement gehörte.

Es fanden mehrere Ortsbegehungen unter Beteiligung aller involvierten Stellen statt. Im Protokoll einer solchen Begehung vom 20. Januar 2006 ist zu lesen: «Einstimmig wird die unbedingte Erhaltungswürdigkeit dieses Kunstwerkes festgehalten.» Damals stand sogar der Vorschlag im Raum, die Vitrinen zu rekonstruieren, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. In den Vitrinen sollte dann eine kleine Ausstellung über Panton und sein Werk gezeigt werden.

Doch offenbar nahmen nicht alle Beteiligten das Kunstwerk ernst genug. Deshalb machte der damalige kantonale Denkmalpfleger Alexander Schlatter die «Panton-Passage» zur Chefsache. In einem Brief vom 24. Januar 2006 an die kantonale Liegenschaftsverwaltung, an das Hochbauamt und an den Raum- und Baukoordinator des Spitals erläuterte Schlatter die Bedeutung Verner Pantons und seines Werks. Konkret zur Passage schrieb er so schöne Dinge wie: «Panton gelingt es, die lange Raumflucht spannungsvoll und abwechslungsreich zu rhythmisieren. Es ist uns kein unterirdischer Verbindungsweg im öffentlichen Raum bekannt, der die schwierige Aufgabe auf vergleichbarem Niveau bewältigt.» Der Denkmalpfleger hielt ausserdem fest, dass Pantons Kunstwerk unter das Denkmalschutzgesetz falle, auch wenn es nicht explizit geschützt sei. Und er hielt fest, dass er bei den weiteren Planungen mitreden wollte.

Damit war eine Zerstörung des Werks freilich nicht vom Tisch. Alexander Schlatter blieb aber hartnäckig. Es fand eine weitere Begehung der Passage statt. Diesmal war sogar die damalige Vorsteherin des Finanzdepartementes, Regierungsrätin Eva Herzog dabei. Was folgte, war ein Kompromiss: Das Wichtigste, die Bemalung nämlich, blieb erhalten. Fast alles andere jedoch nicht. Auch die letzten Vitrinen mussten weichen. Der Boden wurde heller gestrichen. Und das Licht im unteren Bereich der Passage wurde grundlegend verändert – Pantons Leuchten kamen weg. Immerhin verschwanden auch die Plakatwände auf den farbigen Flächen wieder. Und ausserdem gab es durchaus eine Verbesserung der Lichtsituation. Dies zugunsten der Farbgestaltung, denn das Licht ist seither direkter auf die Farben gerichtet.

Anfang Dezember 2006 fand nochmals eine Begehung mit dem Denkmalpfleger statt. Dabei waren ein Vertreter des Hochbauamtes und des beauftragten Architekturbüros. Man war sich offenbar einig.
Soweit alles gut? Nein.

Zwei Monate später, am 5. Februar 2007 hielt der Denkmalpfleger Alexander Schlatter fest, dass die Bauarbeiten ohne sein Wissen begonnen hatten. Seine Aktennotiz weist einige Ausrufezeichen auf, was auf Schlatters Empörung schliessen lässt. Der Maler war bereits an der Auffrischung der Farben. Wenigstens sei dieser dabei «effektiv originalgetreu vorgegangen». Aber anderes, zum Beispiel die Panton-Leuchten, die entfernt worden waren, lagen zum Zeitpunkt von Schlatters Nachfrage im Februar 2007 offensichtlich schon zur Entsorgung in der Mulde.

So lief das damals. Und seither wurde es still um Pantons Passage. Zu still. Sorgen um das Kunstwerk machte sich seither offenbar niemand mehr. Es wurde nicht in das «Inventar schützenswerter Bauten» des Kantons aufgenommen. Und erst recht wurde es nicht unter effektiven Schutz gestellt.

Anzumerken ist noch, dass der Denkmalpfleger Alexander Schlatter im Jahr 2010 pensioniert wurde und leider wenige Jahre später verstarb. Die Panton-Passage verlor damit ihren vehementesten Fürsprecher.

(Fotos: Myriam Kordon und Thomas Heiniger, Basel, 2000 / © Verner Panton Design AG)

Zum Thema «Würdigung» dieses Kunstwerks fallen uns heute, beim Betreten der Passage vom Parkhaus herkommend, zwei Details auf, die von Ironie geradezu strotzen:

Es gibt hier, auf Verner Pantons Rot, zwar durchaus ein Schild, das auf ihn als Gestalter der Passage hinweist, doch dieses befindet sich nicht etwa auf Augenhöhe, sondern knapp auf Kniehöhe. Die geneigte Besucherin, der geneigte Besucher muss also schon sehr tief geneigt sein, um zu lesen, wer dieses Werk geschaffen hat. Schräg darüber, auf Augenhöhe, prangt jedoch ein weiteres Schild, das weit grösser ist: Es handelt sich um eine Plakette der «European Parking Association». Denn das Parking hat 2020 den «European Standard Parking Award» erhalten. Ob der Award auch Pantons Kunstwerk in der Passage gewidmet ist, bleibt offen. Eine Anfrage an die «European Parking Association» wurde nicht beantwortet.

 (© Verner Panton Design AG)
 (© Verner Panton Design AG)

Und was geschah nach 2006? Um das Kunstwerk im Untergrund blieb es wie erwähnt ruhig. Doch in den Basler Institutionen bewegte sich viel. Die Basler Regierung erteilte den Auftrag zu einer neuen Spitalplanung für die nächsten Jahrzehnte. Der so genannte «Masterplan Campus Gesundheit» lag 2011 vor. Dieser steckt den langfristigen Rahmen für die Entwicklung des Spitals ab. Eigentlich wäre schon damals zu erahnen gewesen, was der «Panton-Passage» droht.

Im Jahr 2012 wurde das Universitätsspital unternehmerisch selbständig. Die Gebäude wurden vom Kanton auf das Spital überschrieben. Seither gehört das «Klinikum 2» – und damit auch das Kunstwerk in dessen Untergrund - dem Universitätsspital. Hier trieb man die Planungen voran und im Jahr 2014 wurde das Neubauprojekt von Giuliani Hönger Architekten vorgestellt. Wo sich heute noch die Passage befindet, liegt dereinst das dritte Untergeschoss des Neubaus. Sie ist also schwer im Weg.

Warum war Pantons Kunstwerk nicht von Anfang an in die Planungen mit einbezogen? Die Frage haben wir an die Medienstelle des USB gestellt. Diese schreibt uns: «Die Güterabwägung ergab im gesamten Prozess und auf allen Stufen von den Architekten bis zum Regierungsrat und Parlament, dass ein Spitalneubau in dieser Form und an dieser Stelle notwendig ist.» Und weiter, in Bezug auf Pantons Kunstwerk: «Während 16 Jahren gab es keinerlei Aktivitäten in der Sache, weder bei Wettbewerbsauslobung, Jurybericht usw. noch im Rahmen des Rekursverfahrens gegen den Beschluss des Grossen Rates betreffend Festsetzung eines neuen Bebauungsplanes für das Areal des Universitätsspitals.» Im Klartext: Niemand hat es bemerkt. Für die Passage sei es nun zu spät, schreibt das USB, «weil es nicht möglich ist, die vorgesehene, seit 10 Jahren geplante und öffentlich bekannte, durch alle politischen Instanzen abgesegnete, bauliche Entwicklung des Campus Gesundheit umzusetzen und dabei die Unterführung dort zu belassen.» So weit, so klar.

«Ich bin nicht religiös im allgemeinen Sinne des Wortes. Ich bin religiös im Verhältnis zu meiner Arbeit. Religiös sein kann heissen, dass man an das Leben glaubt und sich über viele Dinge freut.»
Verner Panton, 1998

Panton war tief verbunden mit Basel. Er liess sich 1962 hier nieder und lebte bis zu seinem Tod 1998 in der Region. Nach Basel hatte ihn die Zusammenarbeit mit der Firma Vitra geführt, mit der er über mehrere Jahre hin den Panton Chair entwickelte. Der Stulh sollte eine Ikone der Designgeschichte werden. Kurz bevor Verner Panton hierher kam, lernte er Marianne Pherson Oertenheim kennen und gründete mit ihr kurze Zeit später eine Familie. Die Tochter Carin Panton kam 1966 in Basel zur Welt. Heute sind Marianne und Carin Panton die Rechteinhaberinnen an Pantons Werk und verwalten dessen Erbe.

Vom drohenden Abriss der «Panton-Passage» erfuhren die Pantons erst Ende des letzten Jahres. Und dies auch nur indirekt. Die Autorinnen einer kurzen Dokumentation über die Passage, im Auftrag des Hochbauamtes und des Unispitals, fragten um Einsicht ins Panton-Archiv. Eine Rückfrage der Pantons bei der kantonalen Denkmalpflege ergab, dass dort vom geplanten Abriss der Passage nichts bekannt war. Erst danach wurde die Sache öffentlich.

Seit Lancierung der Online-Petition auf Campax.org zugunsten des Kunstwerks stehen wir in Kontakt mit Carin Panton. Im Gespräch erleben wir sie beunruhigt und sehr verwundert über all diese Vorgänge. Es liege ihr gewiss nichts daran, die Basler Spitalpläne zu behindern. Sie bedauere jedoch sehr, dass man nicht schon vor langer Zeit mit ihr Kontakt aufgenommen hat, schliesslich liegen die Urheberrechte am Werk bei Marianne und Carin Panton. Selbstverständlich sei sie bereit zu Gesprächen mit allen Zuständigen, um eine konstruktive Lösung zu finden.

(Fotos: Stefan Frey, Basel, 2022 / © Verner Panton Design AG)

Kommentar

Fairerweise muss betont sein, dass ein modernes Spital von dieser Grösse wohl zu den komplexesten Bauprojekten überhaupt gehört. Es ist völlig klar, wo da die Prioritäten liegen. Dennoch wären mehr Sensibilität und Offenheit im Umgang mit der bestehenden Bausubstanz und der Kunst am Bau wünschenswert. Schliesslich ist Kulturgut gewissermassen immer auch Allgemeingut.

So oder so kann es aber in der aktuellen Situation punkto «Panton-Passage» nicht um Schuldzuweisungen gehen. Seien wir ehrlich: Wir alle in dieser Stadt, die Autorin und der Autor dieses Textes mit eingeschlossen, hätten schon lange bemerken können, was da in Basels Untergrund für ein Kunstwerk steht, beziehungsweise, dass dieses Werk bedroht ist. Doch die Panton-Passage wurde lange völlig verkannt. So ist sie zum Beispiel auch in kaum einem Kunst-, Architektur- oder Reiseführer zu finden.

Und jetzt? Wie weiter? Beim Universitätsspital stellt man sich auf den Standpunkt, es sei zu spät für Pantons Kunstwerk am jetzigen Ort. Nach gründlichem Studium des Bauprojekts und nach vielen Gesprächen mit Kennerinnen und Kennern der Materie wissen wir, dass die Maximalforderung, nämlich jene nach der Erhaltung des Werks in situ, tatsächlich illusorisch ist.

Aber was sonst? Auf unsere schriftliche Anfrage an den kantonalen Denkmalpfleger, lesen wir: «Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, kann ich Ihnen über den Stand der Verhandlungen keine Information geben.» Auch wenn dies keine Antwort ist, werten wir sie als gutes Zeichen. Und auch das Universitätsspital zeigt sich auf unsere Anfrage hin grundsätzlich hilfsbereit. Es tut sich also was im Hintergrund! Es wird offenbar verhandelt, reichlich spät – aber immerhin.

Ausserdem hat die Basler Grossrätin und Kunsthistorikerin Salome Bessenich dieser Tage eine Interpellation zur «Panton-Passage» eingereicht. Regierungsrat und Verwaltung müssen sich schon nur deshalb mit der Materie befassen.

Doch was sind denn jetzt noch die Optionen? Es gäbe durchaus einen Ausweg aus dem Dilemma. Bei Pantons Werk handelt es sich um Konzeptkunst. Wir sprechen hier schliesslich nicht über ein Fresko «von des Meisters Hand gemacht». Hier hat der Meister ein Konzept erstellt und die Flachmaler haben es umgesetzt. Dies bedeutet, dass das Werk reproduzierbar ist. Es bedeutet übrigens auch, dass man jene Zerstörungen am Werk, die bereits geschehen sind, wieder rückgängig machen könnte. Ausserdem wären diverse Elemente des originalen Werks demontier- und wiederverwendbar: Wandplatten, die eingehängte Decke, Türen. Vielleicht liegt in all dem eine Lösung?

Jedenfalls ist es der Stadt Basel zu wünschen, dass dieses tolle Kunstwerk Verner Pantons auch in Zukunft begehbar und erlebbar ist. Zu unser aller Staunen und kindlicher Freude.

(Fotos: Stefan Frey, Basel, 2022 / © Verner Panton Design AG)

Quellen:
- Archiv Verner Panton im Vitra Design Museum, Weil am Rhein
- Nachlass Suter + Suter im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv SWA, Basel
- Deborah Müller und Isabel Zürcher: «Dokumentation Kunst und Bau Universitätsspital Basel, Klinikum II» im Auftrag des Universitätsspitals Basel, Dezember 2021
- schriftliche Antworten der kt. Denkmalpflege im Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt
- schriftliche Antworten der Medienstelle des Universitätsspitals Basel
- Gespräche mit Carin Panton nach Lancierung der Online-Petition vom 7. Februar 2022
- Gespräche mit Thomas Heiniger, Quadrophenia, Basel
- «Ratschlag Campus Gesundheit» des Basler Regierungsrates an den Grossen Rat, 8. Juli 2014
- öffentliche Planauflagen/Dokumentationen Bau- und Verkehrsdepartement Basel
- Archiv des Bau- und Verkehrsdepartements Basel-Stadt
- Alexander von Vegesack und Mathias Remmele (Hrsg.): «Verner Panton – The Collected Works», Vitra Design Museum, 2000
- Verner Panton: «Lidt om Farver / Notes on Colour», Danish Design Centre, 1997
- Jens Bernsen: «Verner Panton, Raum:Zeit:Stoff», Danish Design Centre, 2003